Dominanz

Was ist Dominaz bei Hunden aus Verhaltensbiologischer Sicht

Laufend wird von Dominanz geredet und kaum einer weiß was Dominanz ist.

Dominieren, lateinisch dominari = überlegen sein, heute fälschlicherweise mit beherrschen assoziiert.

Es gab/gibt viel Verwirrung um den Begriff Dominanz, da dieser Begriff unterschiedlich interpretiert wurde/wird.

1. Dominanz ist eine Eigenschaft und kann vererbt werden

Daraus wurde gefolgert:

  • diese Tiere sind überdurchschnittlich aggressiv
  • diese Tiere streben eine Ranghohe Position an
  • diese Tiere unterdrücken/unterwerfen die anderen Rudelmitglieder

2. Dominanz ist eine Beziehung zwischen 2 Individuen

Hier wird unterschieden in:

A) formaler Dominanz und

B) situativer (momentaner) Dominanz

Die unter Punkt 2 beschriebene Interpretation von Dominanz wird heute in der Verhaltensbiologie angewandt.

Leider wurde/wird die unter Punkt 1 interpretierte Dominanz von vielen Hundetrainern angewandt/angewendet.

Bei Anwendung dieser Interpretation der Dominanz kann es zu keiner, aus Verhaltensbiologischer Sicht, artgerechten Korrektur des Hundeverhaltens kommen.

Vorab sollten wir noch 2 häufig gebrauchte Begriffe klären, Rangordnung und Alphatier.

In einem Rudel, bei Wölfen sollten wir besser von einem Familienverband sprechen, gibt es die Leittiere, die das Recht auf Reproduktion haben, danach folgen die älteren Tiere, das so genannte soziale Mittelfeld und zu guter Letzt die Jungtiere (nicht die Welpen, die haben einen "Sonderstatus") auch Schnösel genannt.

Der Führungsanspruch wird nicht durch Aggression gegen die unter einem Stehenden begründet bzw. gefestigt, sondern durch Wissen und Erfahrung.

Das soziale Mittelfeld unterstützt die Leittiere, die Schnösel (Jungtiere) nicht; Sie lernen und übernehmen, wenn überhaupt, leichtere Aufgaben.

In der Verhaltensbiologie wird bei Hundeartigen eine Rangfolge wie Alpha, Beta ... Omega nicht (mehr), es sei den man will etwas besonders andeuten, benutzt.

In einem freilebenden Wolfsrudel gibt es keinen Omega-Wolf (Prügelknabe), dieser würde, wenn er nicht wieder in den Verband eingegliedert wird abwandern oder am Rand leben, er ist ja in dem Familienverband nicht geduldet.

In der Mensch-Hunde-Beziehung hat der Hund keinen Grund die Leitposition einzunehmen, da er sich mit dem Menschen nicht verpaaren kann um Nachwuchs zu erzeugen.

Wir können daraus folgern, dass unsere Hunde/Hund zum sozialen Mittelfeld oder zu den Schnöseln zählen/zählt.

Sollte das Leittier, hier der Mensch, versagen weil er kein Vertrauen aufbaut, keinen Schutz bietet, selber sehr ängstlich ist, sich in der Umgebung nicht auskennt, keine Regeln setzt und keine Rituale einübt, so wird der Hund versuchen das "Heft" in die Hand nehmen und der Mensch hat nun ein Problem.

Rangordnung ist etwas was unserem Ordnungssystem entspringt.

Einem Hund ist es egal ob er die Nummer 2 oder 3 oder 5 ist.

Ganz zu schweigen davon, dass es mitunter sehr schwer ist eine Rangordnung zu erkennen.

Beispiel:

Hund A läuft immer zur Tür wenn es klingelt, er duldet es nicht das Hund B ebenfalls zur Tür läuft.

Hund B hat einen Platz an dem er Hund A nicht duldet.

Wer ist hier der "Boss"???

Leittiere, und wir Menschen sollten gute Leittiere sein, sind souverän, haben eine Vorbildfunktion, vermitteln Sicherheit, ergreifen die Initiative, organisieren Aktivitäten und strahlen soziale Kompetenz aus.

Dieses tun sie nicht in dem sie die anderen Mitglieder ständig Maßregeln wohlmöglich noch "verprügeln".

Wichtig ist, dass eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut wird.



Dominanz ist nicht Aggression.

Es wird aber unter Umständen aggressiv Kommuniziert über Abruchsignale mit oder ohne körperliche Betonung.

Abbruchsignale (Drohsignale, nicht körperlich betont

  • Strenger Blick / Stirnrunzeln
  • Lefzen-Anheben / Nasenrückenrunzeln
  • Knurren / Brummen
  • Maul aufreißen / Zähne zeigen
  • Bogen gehen / Imponierschreiten in selbstbewusster Körperhaltung
  • Körper anheben / Imponierhaltung einnehmen
  • Leerschnappen / Abwehr-Schnappen

Abbruchsignale (körperlich betont

  • Bewegungseinengung durch Querstellen / T-Stellung
  • Bedrängen / Anspringen
  • Anrempeln
  • Schnauzgriff / Auf den Boden drücken
  • Zwicken / Pitschen
  • Gruppen-Sprengen = splitten

Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit.

In manchen Gruppen zeichnen sich die dominanten Tiere durch ein stärkeres Ausmaß an Aggression aus.

Dieses ist die Folge und nicht die Ursache ihrer dominanten Position.

Bei Hundeartigen ist in der Regel die dominante Position eine ausgesprochen ruhige und aggressionsarme.

Dominanz ist keine Eigenschaft.

Situativen Dominanz:

  • Dominanz ist eine Beziehung zwischen 2 Individuen die im direkten Kontakt zueinander stehen.
  • Es findet keine aktive Aggression statt.
  • Der Dominante kann, muss aber nicht, auf die Ressource bestehen.
  • Dominanz ist eine aktive Leistung des Rangtieferen, weil er dem Ranghöheren einen ungehinderten Zugang zu einer Ressource ermöglicht bzw. dessen Interessen verfolgen lässt.
  • Dominanz hat nicht nur mit Ressourcen zu tun.
    Auch die Entscheidung, ob gespielt oder Körperpflege betrieben wird, gehört in diesem Rahmen.
  • Der Dominante kann immer seine Interessen durchsetzen.
  • Dominanz hat nichts mit Aggressivität zu tun.
  • Bei der Dominanz ist die aktive Zurückhaltung des Rangtieferens der ausschlaggebende Punkt.
  • Auch wenn der Ranghöhere die Beziehung kontrolliert, wird sie trotzdem vom Rangtieferen initiiert.
    Ohne Indianer, keine Häuptlinge.

Formale Dominanz:

  • Formale Dominanz (z.B. Elterntiere zu Nachwuchs) entwickelt sich durch die Vermittlung von Schutz und Geborgenheit, aber auch durch das Vorleben von Erfahrungswerten der Alten.
    "Wissen" ist Macht, nicht der pauschale Einsatz von Muskelkraft (d.h. nicht, dass manchmal negative Verstärkungen eingesetzt werden) .
  • Formale Dominanz entwickelt sich durch die Vermittlung unterschiedlich gestalteter Interaktionsabläufe und durch häufige Ritualeinübungen im Sozial- und Objektspiel. Dadurch entsteht letztlich Vertrauen, Sicherheit, Klarheit und Einschätzungsvermögen.

Zusammenfassung:

  • Dominanz ist keine Eigenschaft, sondern wird grundsätzlich immer in einer Zweierkonstellation getestet und erarbeitet.
  • Für alle Mitglieder einer Gruppengemeinschaft sind in erster Linie die einzelnen Dominanzbeziehungen wichtig.
    Zwischen den Begriffen "formale Dominanz" und "situativer (momentaner, akuter) Dominanz" ist deutlich zu Unterscheiden.
  • Situative Dominanz steht im direkten Zusammenhang mit Wettbewerb um Ressourcen, bzw. im Kontext einer situationsbezogenen Kosten-Nutzen-Abwägung. In jeder Dominanzbeziehung findet eine individuelle Schadensvermeidung und Bedürfnisangleichung statt.
  • Eine Dominanzposition wird primär durch die Körpersignale von Rangtiefen stabilisiert.
    Unterwürfigkeit, respektive Beschwichtigung ist eine freiwillige Leistung des Unterlegenen > der Körpersprache des Ranghohen ohne körperliches eingreifen.
  • Auch für dominante Tiere ist eine situative Besitzrespektierung gegenüber Rangniedrigen nicht nur möglich, sondern zur Aufrechterhaltung einer funktionalen sozialausgerichteten Gruppenstruktur hilfreich und sinnvoll.
  • Bei der formalen Dominanz, die stets von oben nach unten gerichtet ist kann der Ranghöhere auf seine "Rechte" in bestimmten Situationen verzichten.
  • Ranghohe Dominante sind fast nie aggressiv.

Wenn man Dominanz als Beziehung definiert, in der ein Individuum stets und ohne aktive Aggression seine Privilegien einfordern kann (nicht muss), ergibt sich die Frage, um welche Privilegien es in der Mensch-Hunde-Beziehung geht.
Erschwert wird diese Betrachtung im Mensch-Hund-Zusammenhang dadurch, dass nachgewiesener maßen gerade bei Hundeartigen die unmittelbare Verteidigung von Lebenswichtigen Ressourcen eben nicht von einer Langzeitdominanzstruktur bestimmt wird, sondern von momentanen, teilweise Bedarfsabhängigen Gegebenheiten.

Nach diesen Ausführungen dürften jedem klar sein, das die folgend aufgeführten Verhaltensweisen des Hundes nichts mit Dominanz bzw. Rangordnung zu tun haben.

  • Essen sie selbst etwas, bevor sie den Hund füttern, denn der Alpha isst zuerst
    Richtig ist: Es isst immer der zuerst, der den meisten Hunger hat.
  • Lassen sie den Hund keinesfalls im Bett schlafen, denn der Alpha teilt sein Lager nicht mit Rangniederen
    Richtig ist: Leithunde teilen ihr Lager mit Rangniedrigeren, dieses dient dem Zusammenhalt.
  • Erlauben sie nicht, dass sich der Hund vor die Tür oder in den Eingangsbereich legt, denn der Alpha kontrolliert das Kommen und Gehen.
    Richtig ist: Dem Leittier ist es so ziemlich egal was die Rangniedrigen machen. Den Rangniedrigen aber nicht was die Leittiere machen.
  • Lassen sie den Hund niemals als erster durch die Tür gehen, denn der Alpha geht als erster und führt das Rudel.
    Richtig ist: Die Leittiere halten sich meist in der Mitte der Gruppe auf.
  • Lassen sie den Hund kein Spiel beginnen und/oder beenden, denn der Alpha kontrolliert das Spiel.
    Richtig ist: Das Spiel kann von jedem Rudelmitglied initiiert und auch beendet werden.
  • Lassen sie nie den Hund ein Beutespiel gewinnen, denn der Alpha gewinnt immer.
    Richtig ist: gerade im Spiel muss der Alpha nicht gewinnen, er lässt häufig die Rangniedrigen gewinnen. Das dient der guten sozialen Beziehung.


Quellen:
Bloch/Radlinger; Wölfisch für Hundehalter, Von Alpha, Dominanz und anderen populären Irrtümern
Bloch; Seminar-Manuskript, Seminar Dominanzbeziehungen, Gruppenverhalten und Kommunikation
Bloch mündlich
Eaton; Dominaz, Tatsache oder fixe Idee?
Eibl_Eibesfeldt; Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung
Feddersen-Petersen; Hundepsychologie
Feddersen-Petersen; Ausdrucksverhalten beim Hund
Ganßloser; Verhaltensbiologie für Hundehalter
Gansloßer (Hrsg); Mit Hunden leben
Gansloßer; Säugetierverhalten
Gansloßer; Gruppenmechanismen
Hallgren; Das Alpha-Syndrom, Über Führung und Rangordnung bei Hunden – was das ist und was nicht
Jones; Aggressionsverhalten bei Hunden
O'Heare; Die Dominanztheorie bei Hunden
Winkler; So lernt mein Hund